Freitag, 2. Juli 2010

Richtiger Schluss, aber falsche Interpretation

Es stimmt:
Seit ihrem Regierungsantritt hat die schwarz-gelbe Koalition bislang hauptsächlich enttäuscht. Insbesondere die FDP hat eine Klientelpolitik betrieben, die ich nicht für möglich gehalten hätte: An Steuererleichterungen lediglich eine Verringerung der Mehrwertsteuer für Hotels. Eine Kopfpauschale, deren Einführung Besserverdiener besser stellt und andererseits Geringstverdiener entweder finanziell schlechter stellt oder sie zumindest dazu zwingt, einen weiteren Teil ihrer Freizeit auf eine dann garantiert noch kompliziertere Einkommensteuererklärung zu verschwenden, um sich die Mehrbelastung über die Steuer wieder zurückzuholen. Eine Kürzung staatlicher Zuwendungen an finanzschwache Bürger zum Stopfen von finanzkriseninduzierten Haushaltslöchern anstatt einer prozentual einheitlichen Beteiligung aller Einkommensschichten. Ansonsten: nichts. Ich schäme mich, es hiermit öffentlich zuzugeben, FDP gewählt zu haben, möchte aber zu meiner Verteidigung sagen, dass mein Hauptgrund Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war und sie bislang in puncto Überwachungsstaat, Polizeistaat, Stasi 2.0 usw. in der Tat nicht nachgegeben hat – wollen wir hoffen, dass das so bleibt.


Es stimmt:
Die Regierungskoalition bemerkt ihre aus all den vorgenannten Gründen zunehmend schwindende Popularität in der Bevölkerung und zeigt auch Ermüdungserscheinungen wie gegenseitige Schuldzuweisungen.


Aber eines stimmt ganz sicher nicht:
Dass Wulff mit großen Startschwierigkeiten gewählt wurde, lag sicher nur zu einem kleinen Teil daran, dass einige der von CDU, CSU und FDP gestellten Mitglieder der Wählerversammlung der Regierungskoalition im Schutz der anonymen Bundespräsidentenwahl eins auswischen wollten. Nein, es lag einfach daran, dass Gauck ein Kandidat war, der auch für das konservative Lager sehr gut wählbar ist. Wenn Gauck in der Bevölkerung eine überwältigende Mehrheit findet, warum sollte das dann innerhalb der CDU-, CSU- und FDP-Wahlmänner und -frauen so viel anders sein? Stutzig machen sollte doch auch eine lobende Rede Merkels über Gauck einige Monate vor der Präsidentenwahl, die Aussage einiger ostdeutscher FDP-Landesverbände, Gauck unterstützen zu wollen, sowie erst recht die Tatsache, dass Gauck bereits vor einigen Jahren schon einmal als Präsidentschaftskandidat ins Gespräch gebracht worden war – damals von der CSU.
Wer also von einer Erosion der Regierungskoalition redet und dafür als Grund die Bundespräsidentenwahl anführt, der kommt zwar zum richtigen Schluss – das allerdings durch eine völlig falsche Interpretation der Bundespräsidentenwahl. Warum ist das eigentlich so schwer zu verstehen?


Und im Übrigen weiß ich, weshalb ich die Partei „Die Linke“ nach wie vor „SED“ nenne: Weil ihr Schatten, über den sie bei der Bundespräsidentenwahl hätte springen müssen (anstatt sich in die Schmollkind-Ecke zu stellen), immer noch viel zu lang ist.

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